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Resilienz und Souveränität
der deutschen Industrie

Auftraggeber

Netzwerk Zukunft der Industrie e. V.

Jahr

laufend


Die globalen Rohstoffvorkommen sind nicht im Gleichgewicht. Einige wenige Staaten haben viel, die anderen nicht. Nicht nur das bloße Vorkommen, auch die Verarbeitung von Rohstoffen und die Herstellung von Vorprodukten konzentriert sich häufig auf einige wenige Länder.

Das Netzwerk Zukunft der Industrie e.V. beauftragte Prognos mit der Untersuchung der industriellen Resilienz und strategischen Souveränität des Industrielandes Deutschland. Ziel ist es, bestehende Abhängigkeiten anhand konkreter Beispiele zu analysieren und Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige Wertschöpfung zu entwickeln – auf Basis nachhaltiger Rohstoffversorgung und unter Einbezug globaler Vorleistungen.

Auf der Industriekonferenz am 26.11.2024 wurden erste Zwischenergebnisse vorgestellt.

Erste Ergebnisse: Hohe Abhängigkeiten und unsichere Lieferketten

Globale Lieferbeziehungen werden zunehmend krisenanfälliger. Externe Ereignisse und geopolitische Spannungen gefährden die Versorgung. Das Streben nach Dominanz einzelner globaler Akteure kann zu gezielter Verknappung führen.

Gleichzeitig erhöhen die digitale und nachhaltige Transformation die Nachfrage nach seltenen Rohstoffen oder Vorprodukten, die zum Großteil in autoritären Regimen gefördert bzw. verarbeitet werden. Dies fordert die Industrie an einem rohstoffarmen Standort wie Deutschland erheblich heraus. Weltweit verschärfen sich Nachfrage und Wettbewerb um diese Ressourcen.

Unsere Zwischenergebnisse der Analyse für das Netzwerk deutscher Industrie zeigen:

Die deutsche Industrie ist stark von den Rohstoffen und Vorprodukten anderer Länder abhängig. Diese Verwundbarkeit wird besonders dort deutlich, wo es an die Umsetzung der Energiewende und die Gestaltung des Klimawandels geht – beispielsweise bei der E-Mobilität oder der Versorgung mit Windkraft.

Autoritäre Regime können dies nutzen, um ihre Marktposition zu stärken. Die Lizenzierung von Rohstoffexporten bildet dabei einen ersten Schritt zu einer Regulierung der Exportmengen. Allen voran: China. Die Volksrepublik nutzt ihre starke Position bei Rohstoffen und Verarbeitungskompetenzen und schafft gezielte Abhängigkeiten. Die Beispiele Solarpanel, Windkraft und Elektromobilität zeigen: in der Kombination mit Mitteln wie Preisdumping oder Überproduktion wird eine weltweite Beherrschung einzelner Märkte angestrebt. 

Beispiel: E-Mobilität

Kernstück des Elektroautos sind die Antriebsbatterien, weshalb die Automobil- und Zulieferindustrie seit Jahren in den Ausbau der Batteriezellfertigung investieren. Aktuell besteht beim Import fertiger Batteriezellen für die deutsche Automobilindustrie eine hohe Abhängigkeit von China entlang der gesamten Wertschöpfungskette:

  • Die größte Produktionskapazität für Batteriezellen hat China mit etwa 77 Prozent Marktanteil der globalen Batterieverkäufe.
  • Das Kathodenmaterial in aktuellen Lithium-Ionen-Batteriezellen stammt zu 71 Prozent aus China. 
  • Das Anodenmaterial sogar zu 91 Prozent.

Die Abhängigkeit in der Windkraft ist ähnlich hoch. Bisherige Ansätze wie die deutsche Rohstoffstrategie oder die EU-Batterie-Verordnung reichen nicht aus, um Chinas Dominanz einzudämmen. Selbst der Aufbau eigener Fertigungskapazitäten ist auf nahezu allen Wertschöpfungsstufen von Vorleistungen aus China abhängig. Hier fehlt eine klare europäische Gesamtstrategie mit wirksamen Maßnahmen.

Es braucht eine europäische Antwort auf Chinas Dominanz

Aus den Analysen und Gesprächen, die Prognos mit Branchenexpertinnen und -experten führt, ergeben sich folgende erste Botschaften:

  • Die Herausforderungen aus dem Streben nach Marktbeherrschung sind zu groß, um ihnen als einzelnes Unternehmen oder als Nationalstaat zu begegnen, Deutschland kann dieses Machtspiel im Alleingang nicht gewinnen: Es braucht europäische Lösungen.
  • Industrie- und Technologiepolitik in Europa müssen notwendigerweise Schwerpunkte definieren, in denen sie die Souveränität des Handelns behaupten wollen. D.h. sich mittelfristig auf einzelne Felder, Technologien und Produkte zu konzentrieren und Expertise in der Verarbeitung von Rohstoffen aufzubauen.
  • Langfristig muss dies zu einem neuen Selbstverständnis führen: Wenn wir den Industriestandort Europa erhalten wollen, müssen entsprechende Rahmenbedingungen gestaltet und Investitionen gefördert werden (faire CO2-Bepreisung, Senkung von Energiekosten etc.).
  • Die Beschaffung muss stärker diversifiziert werden. Dabei sollten auch Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit des Handelns der Partner mehr Berücksichtigung finden. 
  • Gleichermaßen sollten die Optionen des heimischen Rohstoffabbaus geprüft werden. Dieser sollte sich an den Richtlinien für nachhaltiges Wirtschaften orientieren, um hier einen Vorsprung gegenüber den Staaten zu gewinnen, die Raubbau betreiben.
  • Auch europäische Firmen sollten eng kooperieren, um ihre Marktmacht gemeinsam besser ausspielen zu können.

Unsere Vorgehensweise

Die Studie zielt darauf ab, die Resilienz und Handlungssouveränität der Industrie anhand konkreter, exemplarisch vertiefender Analysen zu untersuchen. Der Fokus liegt auf den Lieferketten, da dieser Aspekt der Resilienz besonders anfällig für Störungen ist. Betrachtet werden nicht nur Rohstoffe, sondern auch Vorprodukte.

Prognos analysiert die Lieferketten in vier zentralen, für Deutschland und Europa besonders wichtigen Branchen:

  • Erneuerbare Energien – Windkraftanlagen
  • Elektromobilität – Batterien für elektrische Antriebe
  • Elektronik – Microchips
  • Verteidigung – Titanmetalle 

Analysiert werden die Spezifika der Rohstoff- sowie der Vorleistungs- und Produktbezüge, aber auch Risiken und Anforderungen sowie Gestaltungspotenziale für Beschäftigung und Strukturentwicklung auf unterschiedlichen Handlungsebenen. Dafür wendet das Team folgende Methoden an:

  • Literaturrecherchen
  • Fokusgruppen mit Fach- und Branchenexpertinnen und -experten
  • Fachgespräche
  • Analysen von volkswirtschaftlichen und Handelsdaten

Links und Downloads

Mehr Informationen zum Netzwerk

Die vollständigen Studie wird voraussichtlich im ersten Quartal 2025 veröffentlicht.

Projektteam: Michael Astor, Tim Bichlmeier, Dr. Eva Dantas, Jakobus Kai Jaspersen, Leonard Krampe, Paul Möhlmann, Bianca Neumann, Dr. Andreas Sachs, Helena Seide, Johann Weiss

Stand: 26.11.2024

Neuigkeiten aus dem Projekt

Industriekonferenz 2024

| Event

Gemeinsam mit dem Bündnis Zukunft der Industrie veranstaltet das BMWK die Industriekonferenz 2024. Michael Astor wird vor Ort erste Zwischenerkenntnisse aus unserer Studie zur Resilienz und Souveränität der deutschen Industrie vorstellen.

Fachkonferenz zur industriellen Resilienz und klimaneutralen Transformation

| Event

Michael Astor stellt auf der Fachkonferenz des Netzwerk Zukunft der Industrie e.V. erste Ergebnisse der Studie zur Resilienz und Handlungssouveränität der deutschen Industrie vor und diskutiert mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wirtschaft über betriebliche und politische Strategien zur Stärkung der Resilienz

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